Ende der klassischen Forensik? KI knackt Fingerabdruck-Code

Juli Rutsch
Juli Rutsch

Am 22.02.2024 - 15:24

Bisher galt in der Forensik, dass sich die Fingerabdrücke etwa des Mittel- und Zeigefingers einer Person nicht einander zuordnen lassen. Eine KI widerlegt das.

Scan Fingerabdruck
Bisher galt: Fingerabdrücke verschiedener Finger derselben Person sind einzigartig und unvergleichbar. Eine KI hebt das auf. - Depositphotos

Versuchen Sie, Ihr Telefon mit einem bestimmten Finger zu entsperren, und es funktioniert. Versuchen Sie es mit einem anderen Finger: Fehlanzeige garantiert.

Die Tatsache, dass verschiedene Finger ein und derselben Person unterschiedliche Fingerabdrücke haben, ist für die biometrische Authentifizierung wohl lediglich ein Ärgernis. Für ernstere Anwendungen wie die Forensik kann dieser Umstand allerdings schwere Folgen haben.

verschiedene Fingerabdrücke weisser Hintergrund
Können Forscher mittels KI die Fingerabdrucksuche auf eine neue Ebene heben? - Depositphotos

Denn: Hinterlässt ein Täter Spuren verschiedener Finger an zwei unterschiedlichen Tatorten, wird es zur echten Herausforderung, die Tatorte nur dieser Person zuzuordnen.

Wirklich einzigartig?

Diese Herausforderung hat nun ein Forscherteam der Columbia University in New York aufgegriffen. Ihre Forschungsfrage war schlicht und einfach:

Sind die einzelnen Fingerabdrücke einer Person wirklich so einzigartig und daher unvergleichbar?

KI gegen menschliches Auge

Mithilfe einer öffentlich zugänglichen US-Regierungsdatenbank mit 60'000 Fingerabdrücken fütterte das Team Paare von Abdrücken in ein KI-basiertes Tiefkontrastnetzwerk. Dabei gehörte jeweils die Hälfte der Paare zur gleichen Person (aber verschiedenen Fingern), während die andere Hälfte der Abdurchspaare völlig unterschiedlichen Personen zugeordnet war.

Nach und nach wurde die KI immer besser darin, zu erkennen, wann scheinbar einmalige Fingerabdrücke tatsächlich derselben Person gehören und wann nicht. Die Genauigkeit für ein einzelnes Paar erreichte 77 Prozent.

Bei der Präsentation mehrerer Paare stieg die Genauigkeit sogar signifikant an, was die forensische Effizienz potenziell um das Zehnfache steigern könnte.

Die Entdeckung eines neuen forensischen Markers

Nun fragt man sich: Welche Informationen hat die forensische Analyse bisher übersehen, die KI aber kann sie nutzen?

Nach genauem Hinsehen kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die KI einen besonderen «forensischen Marker» anwendet.

Anders gesagt: Klassische Vergleiche von Fingerabdrücken fokussieren sogenannte «Minuzien», also Verzweigungen und Endpunkte in Fingerabdruckrillen. Diese liess die KI beiseite und konzentrierte sich vielmehr auf Winkel und Krümmungen der Wirbel und Schleifen nahe dem Zentrum des Fingerabdrucks – auch «Singularität» eines Fingerabdrucks bekannt.

KI: Game Changer in der Forensik?

Auch interessant: Geschlecht oder Rasse scheinen bei dieser Technik keine Rolle zu spielen. Bevor sie in der Praxis eingesetzt wird, sind allerdings noch mehrere Validierungsverfahrung auch an grösseren Datensätzen nötig.

Sicher ist: Schon eine vergleichsweise simple KI-Technik mit einem einfachen und gar veralteten Datenschatz kann Erkenntnisse liefern, die Experten der Materie über Jahre entgangen sind.

Wer noch glaubt, dass KI nicht wirklich neue Entdeckungen machen kann, darf hier zumindest Zweifel bekommen. Es darf mit Spannung erwartet werden, wo sie uns noch bei de Korrektur von Forschungsansätzen behilflich sein wird.

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